Expert*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen geben in einer mehrteiligen Serie konkrete Antworten auf bildungspolitische Fragen aus den Koalitionsverhandlungen und machen deutlich, wo es in der Praxis hakt. Gunter Fischer ist Schulleiter am Clara-Schumann-Gymnasium in Dülken, Mitglied im Ausschuss für Schulleitung der GEW NRW sowie im Vorstand der Rheinischen Direktorenkonferenz.
Die GEW NRW hat eine landesweit einheitliche Regelung gefordert. Nun wird es eine Regel und eine komplizierte Ausnahme geben. Wie bewerten Sie das?
Das hört sich erst einmal sehr offen und flexibel an, aber es hat sich in den anderen Bundesländern gezeigt, dass eine solch wenig konkrete Regelung nur zu chaotischen Verhältnissen in der Schullandschaft führt. Im Endeffekt sind dann mit der Zeit mehr als 90 Prozent der Schulen zu G9 zurückgekehrt. Man hat den Eindruck, dass sich das Ministerium für Schule und Weiterbildung so davor drücken kann, in einem sinnvollen Zeitrahmen die veränderten Kernlehrpläne zur Verfügung zu stellen.
Es ist zu hoffen, dass bei einer erneuten Umstellung es nicht wieder so passiert, wie es damals die schwarz-gelbe Regierung Rüttgers gemacht hat. Denn damals sind die letzten Richtlinien für einige Fächer in der Sekundarstufe I erst veröffentlicht worden, als die ersten G8-Schüler*innen bereits vor dem Abitur standen.
Gymnasien sollen zu Beginn des Schuljahrs 2019/2020 zu G9 zurückkehren. G8 muss dann von den Schulen beantragt werden, das Verfahren ist noch unklar. Ist das sinnvoll?
Natürlich nicht. Es ist nicht sinnvoll Schulen vor eine solche Wahl zu stellen. Dieser Ansatz wirkt auch nicht unbedingt beruhigender auf die Schullandschaft. Es wird in jedem Fall für Unruhe in der Schullandschaft sorgen, wie es auch in Hessen war.
Im G9 soll die zweite Fremdsprache erst wieder ab Klasse 7 unterrichtet werden. Wie sieht es aber aus, wenn Schüler*innen am Ende der siebten Klasse in ein G8-Gymnasium wechseln müssen?
Genau durch diese Frage werden die chaotischen Zustände in der Schullandschaft noch deutlicher. Ein Schulwechsel wird für Schüler*innen im eigenen Bundesland NRW dann mindestens genauso problematisch wie ein Schulwechsel über die Landesgrenzen hinaus. Im Übrigen haben wir in NRW auch das Problem, dass in einem Teil des Landes verstärkt Spanisch als zweite Fremdsprache angeboten wird und der Wechsel in das eher französisch orientierte Rheinland schon schwierig ist. So werden Probleme, die eh schon existieren, noch mehr vergrößert. Im Übrigen argumentiert das Ministerium immer, dass die zweite Fremdsprache nach Beschluss der Kultusministerkonferenz – kurz KMK – in der sechsten Klasse beginnen muss. Dabei bedarf es also einer anderen übergeordneten KMK-Entscheidung.
Ist der Vorschlag der FDP, dass alle Gymnasien sowohl G8- als auch G9-Bildungsgänge anbieten sollen, Ihrer Meinung nach der bessere Weg?
Als kleines Gymnasium hatten wir schon vor G8 diesen Weg gewählt. Insgesamt muss natürlich bei G8 wie bei G9 der Paragraf 1 Schulgesetz NRW betrachtet werden. Es müssen also die individuellen Förderungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden. Ob man das durch Einzel- oder Gruppenförderung macht, liegt dann an der Schule. Einfacher wird aber dadurch die Arbeit der Schulen auch nicht. Denn auch bei dieser Variante wird es erheblich mehr verschiedene Wege geben, die für die Eltern das Schulsystem noch weniger verständlich machen, sodass Fehlentscheidungen vorprogrammiert sind.
Die Fragen stellte Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW.