Neuigkeiten 26.08.2019

Schulstart Wuppertal: Lehrermangel weiter zugespitzt

Besonders hart trifft es die Wuppertaler Grundschulen und die sonderpädagogische Förderung

Das ist wahrlich kein erfreulicher Schulstart für viele Wuppertaler Schulen am Mittwoch, hat sich doch der Lehrermangel noch einmal gegenüber dem Vorjahr verschärft. Besonders hart trifft es die Wuppertaler Grundschulen, denn 60 Grundschullehrerstellen und 16 Stellen für Sonderpädagog*innen sind dort unbesetzt.

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Hinzu kommt, dass aktuell allein an den Grundschulen rund 200 Seiteneinsteiger*innen ohne Lehrerausbildung in befristeten Verträgen für Krankheits- und Elternzeitvertretung arbeiten. Das bedeutet, dass jede 5. Lehrkraft ohne Lehrerausbildung vor der Grundschulklasse steht. Eine pädagogisch besonders problematische Situation, weil es gerade in den ersten vier Schuljahren vor allem auf pädagogisches Handwerkszeug ankommt, das den Seiteneinsteiger*innen fehlt.  Und es ist eine zusätzliche Belastung für die Schulen, die die Anleitung stemmen müssen.

Lehrermangel: Keine Besserung in den nächsten 10 Jahren

Mit Ausnahme des Gymnasiums, das fast alle Stellen besetzen konnte, sind alle Schulformen von der Mangelsituation betroffen. An Haupt-, Real- und Gesamtschulen konnten im Schnitt gerade mal gut 50% der offenen Stellen besetzt werden.
Alle Schulen müssen immer häufiger auf Seiteneinsteiger*innen zurückgreifen. Da der Lehrermangel noch mindestens 10 Jahre anhält (Prognose Schulministerium), wird sich die Zahl der Lehrkräfte ohne Lehrerausbildung weiter erhöhen. „Diese dürfen nicht mehr länger ins kalte Wasser geworfen werden. Es muss dringend eine Vorabqualifizierung dafür organisiert werden, bevor sie mit aller Verantwortung vor eine Klasse gestellt werden! Andere Bundesländer haben solche Programme bereits eingeführt, in NRW erfolgt ein Crashkurs erst nach der Einstellung. Vertretungskräfte erhalten keinerlei Vorbereitung. Das muss sich ändern.“ So Tino Orlishausen vom Leitungsteam der GEW Wuppertal.


Zu viele Lehrkräfte für die Sekundarstufe II – Lehrkräfte endlich gleich bezahlen

Da für den Bereich der Sekundarstufe II ein Überangebot von Lehrkräften besteht, muss die Landesregierung ihr halbherziges Handeln aufgeben und echte Anreize dafür setzen, bereits ausgebildete und künftige Lehrkräfte für die Grundschule und die Sekundarstufe I zu gewinnen. Das kann aber nur gelingen, wenn endlich die gleiche Bezahlung für alle Schulstufen eingeführt wird, damit der Gehaltsvorsprung von mindestens 500 € gegenüber der Sekundarstufe II ausgeglichen wird.

Inklusion: Sonderpädagogische Förderung kann kaum stattfinden

Hart betroffen auch die Kinder mit dem Anspruch auf sonderpädagogische Förderung. Vollmundig erklärt die Schulministerin, dass eine neue Zeit mit geordneten Bahnen für die Inklusion anbreche. Doch bei einer 30%igen Unterbesetzung in den Wuppertaler Grundschulen bei den Sonderpädagog*innen kann davon wohl schwerlich die Rede sein. Noch dramatischer ist die Situation in den weiterführenden Wuppertaler Schulen mit einer Unterbesetzung von unglaublichen 68%! „Unverantwortlich für Kinder und Lehrkräfte! Das sind keine geordneten Bahnen, sondern eher ein Abgrund!“ so Richard Voß vom Leitungsteam der GEW. In den Wuppertaler Realschulen konnten z.B. von 15 ausgeschriebenen Stellen für Sonderpädagog*innen keine einzige besetzt werden, 16 Stellen an den Grundschulen blieben ohne Bewerber*innen. Auch die Wuppertaler Förderschulen sind nur zu 85% mit Lehrkräften versorgt.

Brennpunktschulen besser ausstatten – Anreize für Lehrkräfte schaffen

Brennpunktschulen leiden besonders unter dem Lehrermangel, denn gerade diese Schulen sind in vielerlei Hinsicht doppelt benachteiligt, da sie unter dem aktuellen Lehrkräftemangel leiden, gleichzeitig aber wesentlich mehr als andere Schulen die Integration zugewanderter Schüler*innen stemmen und täglich mit den gravierenden familiären Problemen der Kinder konfrontiert sind. Kann man es jungen Lehrkräften verdenken, dass sie sich nicht die Schulen aussuchen, an denen sich die Herausforderungen und Probleme häufen und die zudem noch schlecht ausgestattet sind?
Hier hilft nur ein massives Gegensteuern mit genügend Anreizen, sich diesen besonderen Problemlagen zu stellen: Beste Ausstattung, zusätzliches Personal anderer Professionen, weniger Unterrichtsverpflichtung für die Lehrkräfte und finanzielle Zulagen. „Wenn hier nicht bald umgesteuert wird, fliegt uns das über kurz oder lang komplett um die Ohren! Hier ist auch die Stadt Wuppertal in der Verantwortung, die Brennpunktschulen der Stadt besser zu stellen.“, betont Richard Voß.

Lehrkräftemarkt leergefegt – kurzfristige Hilfsmaßnahmen notwendig

Schulministerin Gebauer hat es selbst erkannt, die Versäumnisse der Vergangenheit (z.B. zu wenig Studienplätze) begleiten uns noch lange. Deshalb muss die Landesregierung kurzfristig zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um vor allem die Grund- und Förderschulen und die Schu-len der Sekundarstufe I in dieser Situation zu unterstützen. Hunderte von Millionen sind be-reits durch die Nichtbesetzung der Lehrerstellen zurück in den Landeshaushalt geflossen. Es ist also viel Spielraum vorhanden für kurzfristige andere Unterstützungsmaßnahmen, entweder durch Landesmaßnahmen oder durch zweckgebundene Zuweisungen an die Kommune. So könnten z.B.  weitere Schulsozialarbeiter*innen, Schulsekretär*innen, Schulverwaltungsassistent*innen, Unterrichtsbegleiter*innen für die Kinder mit Förderbedarf, Studierende für Sprachförderung von zugewanderten Kindern eingestellt werden. Auch die Anhebung der Sätze für Lernmittel (seit mehr als 20 Jahren nicht verändert!), könnte den Schulen Entlastung bringen. Flexible, unbürokratische Lösungsvorschläge, die den Schulen kurzfristig wirklich helfen, sind nun zusätzlich gefragt!